Geringfügige Mängel in der Kassenführung unschädlich

Kann die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen, ist sie zu einer Schätzung berechtigt. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen sind, wenn kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

Praxis-Beispiel:
Die Steuerpflichtige ermittelte den Gewinn für ihren griechischen Imbiss mithilfe einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Zur Erfassung der Bareinnahmen verwendete sie eine elektronische Registrierkasse und bewahrte die täglichen Bon-Rollen auf. Im Rahmen einer Betriebsprüfung führte der Prüfer eine Bargeldverkehrsrechnung durch und gelangte zu geringen Fehlbeträgen. Bei einer zusätzlich erstellten „vorläufigen Geldverkehrsrechnung“ kam er ebenfalls auf geringe Unterdeckungen. Der Prüfer beanstandete die Kassenführung, weil einzelne Beträge am falschen Tag erfasst wurden. Der Prüfer hat des Weiteren festgestellt, dass eine Pfandgelderstattung von 11,94 €, ein Außer-Haus-Verkaufsumsatzes i. H. v. 10,70 € (also insgesamt 22,64 €) in der Kasse fehlten. In 2014 sind vier Außer-Haus-Verkaufsumsätze i. H. v. 20,95 €, 13,00 €, 14,30 € und 10,92 €, also insgesamt 59,15 €) nicht erfasst worden. Der Prüfer nahm dies zum Anlass, die Einnahmen aufgrund einer Richtsatz-Kalkulation deutlich zu erhöhen.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass die Fehler, die der Prüfer festgestellt hat, es nicht rechtfertigen, die Richtigkeit der Buchführung der Klägerin insgesamt infrage zu stellen. Für Hinzuschätzungen, die über die festgestellten gewinnwirksamen Aufzeichnungsmängel hinausgehen, besteht keine Schätzungsbefugnis.

Für buchführungspflichtige Unternehmer gilt, dass eine Buchführung (erst) dann formell ordnungswidrig ist, wenn sie wesentliche Mängel aufweist, die auch aus der Gesamtheit aller unwesentlichen Mängel bestehen kann. Maßgebend ist das Gesamtbild aller Umstände. Eine Buchführung kann also trotz einzelner Mängel aufgrund der Gesamtwertung als formell ordnungsmäßig beurteilt werden. Insoweit kommt der sachlichen Gewichtung der Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu. Das gilt insbesondere, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden. Mängel der Kassenführung können den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen.

Eine ordnungsgemäße Einnahmen-Überschuss-Rechnung setzt lediglich voraus, dass die Höhe der Betriebseinnahmen bzw. der Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen wird. Eine förmliche Aufzeichnungspflicht besteht hingegen nicht. Eine Aufzeichnungspflicht besteht damit nur, soweit aus anderen Gründen zu Besteuerungszwecken Aufzeichnungen gefordert werden, etwa aufgrund weiterer Steuergesetze (wie z. B. nach § 22 UStG). Danach ist jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten (bzw. vereinnahmten) Entgelte zu ersehen sein.

Soweit der Prüfer bei seiner Kalkulation auf angebliche Erfahrungswerte bei anderen Betrieben zurückgreift, reicht dies für eine Hinzuschätzung nicht aus. Die hieraus resultierenden Ungenauigkeiten können nicht durch einen pauschalen Verweis des Prüfers auf erfolgte Sicherheitsabschläge in erheblicher Höhe gerechtfertigt werden. Das gilt erst recht, wenn die tatsächlichen Ergebnisse aller Jahre sich im Rahmen der Richtsätze bewegten – selbst wenn diese sich im unteren Bereich befanden.

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