Kindergeld: Anspruch in einem Praxisjahr

Bei einer Tätigkeit in einem Praxisjahr, als Volontär, als Trainee oder als bezahlter Praktikant kann es sich um eine Berufsausbildung oder um ein Arbeitsverhältnis handeln. Entscheidend ist, ob die berufliche Qualifizierung oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht.

Praxis-Beispiel:
Die Mutter eines im November 1996 geborenen Sohnes bezog bis Juli 2017 Kindergeld. Der Sohn hatte die Schule im Juni 2015 mit dem Abitur beendet und im Juli 2017 eine Berufsausbildung zum Landwirt abgeschlossen. Als Berufsziel strebte er den Abschluss eines staatlich geprüften Agrarbetriebswirts an. Hierzu hatte er sich im Juni 2017 bei dem Berufskolleg der Landwirtschaftskammer im Bildungsgang Fachschule für Agrarwirtschaft – Fachrichtung Landwirtschaft (Fachschule) angemeldet. Zur Abschlussprüfung der Fachschule wird nur zugelassen, wer nach der Ausbildung ein Praxisjahr nachweisen kann. Die Trägerin der Fachschule empfiehlt, das Praxisjahr vor dem Beginn der Fachschulausbildung zu absolvieren. Im März 2018 erhielt der Sohn unter Vorbehalt die Zulassung zum Besuch der Fachschule im Schuljahr 2018/2019, weil er die geforderte Berufspraxis noch nicht (vollständig) nachgewiesen hatte. Die Familienkasse lehnte einen Antrag der Mutter auf Festsetzung von Kindergeld ab August 2017 ab. Das Finanzgericht hingegen bejahrte den Anspruch auf Kindergeld.
 

Der BFH hat das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil er aufgrund der vorliegenden Tatsachen nicht abschließend beurteilen konnte, ob der Klägerin ein Kindergeldanspruch für ihren Sohn zusteht. 

In Berufsausbildung befindet sich jemand, der sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Ein Ausbildungsdienstverhältnis liegt aber nur vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme selbst Gegenstand und Ziel des Dienstverhältnisses ist. Die vom Dienstverpflichteten geschuldete Leistung, für die der Dienstherr bezahlt, muss in der Teilnahme an der Berufsausbildungsmaßnahme bestehen. 

Das Finanzgericht hat bisher keine Feststellungen getroffen, ob die Beschäftigungsverhältnisse des Sohnes ganz oder zumindest teilweise Berufsausbildungsmaßnahmen darstellen. Dazu ist erforderlich, dass die Erlangung der beruflichen Qualifikationen im Vordergrund stand. Hierzu hat das Finanzgericht die wesentlichen Umstände nicht festgestellt bzw. unberücksichtigt gelassen. Somit fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Einordnung als Berufsausbildung.

Die Feststellung, dass der Sohn eine praktische Tätigkeit in einem Agrar- und einem Forstbetrieb ausgeübt hat und dabei Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen gewonnen hat, reicht nicht aus. Aus den vorgelegten Bescheinigungen ergibt sich nicht, dass der Sohn jeweils in Tätigkeiten unterwiesen wurde, die qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern. Außerdem fehlen in den Bescheinigungen Angaben dazu, ob jeweils ein Ausbildungsplan vorhanden war und in welcher Höhe der Sohn ein Entgelt erhielt. Ihm wird zwar u.a. eine hohe Lern- und Arbeitsbereitschaft bescheinigt, konkrete Ausbildungsmaßnahmen werden jedoch nicht angesprochen.

Fazit: Solange nicht feststeht, dass der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht, kann die Tätigkeit des Sohnes in den land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieben nicht eingeordnet werden. Die von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnungen reichen im vorliegenden Fall nicht aus. 

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