Umorientierung innerhalb einer Erstausbildung

Zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte können auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt (hier: Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg nach einer Bankausbildung).

Praxis-Beispiel:
Ein Vater erhielt Kindergeld für seinen Sohn bis zum Ende seiner Ausbildung bei einer Volksbank im Januar 2015. Nach dem Abschluss seiner Banklehre wurde der Sohn von der Volksbank als Vollzeitbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von 39 Stunden in der Woche übernommen. Bereits im April 2014 hatte der Sohn an einer Informationsveranstaltung über ein Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes teilgenommen, weil er das Ziel hatte, einen Abschluss als Bankfachwirt zu machen. Als er im April 2015 erfuhr, dass der Studiengang nicht startreif sei, hat er am 20.04.2015 entschieden, einen Onlinestudiengang der Betriebswirtschaftslehre an einer Hochschule zu beginnen. Im August 2017 beantragte der Vater unter Hinweis auf das im September 2015 aufgenommene Studium erneut Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.

Der Vater machte geltend, dass es sich um eine einheitliche Ausbildung handle, weil sein Sohn sich während des ersten Ausbildungsabschnitts für ein anschließendes Studium entschieden habe. Es dürfe sich für den Sohn nicht nachteilig auswirken, wenn er sich mangels Realisierungsmöglichkeit des ursprünglich angestrebten Studiums für ein von der Fachrichtung her ähnliches Studium entschieden habe.

Mehrere Ausbildungsabschnitte können eine einheitliche Erstausbildung bilden, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. In diesem Fall muss objektiv erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen. 

Der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem Betriebswirtschaftsstudium liegt vor. Der zeitliche Zusammenhang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Sohn sich, nachdem die Bankausbildung im Januar 2015 beendet war, erst im April 2015 zum Studium der Betriebswirtschaftslehre entschlossen hat. Der erforderliche enge sachliche Zusammenhang liegt ebenfalls zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Betriebswirtschaftsstudium vor.

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